Arunachal – Peoples, Arts and Adornments in India`s Eastern Himalayas

Autor/en: Peter van Ham
Verlag: Niyogi Books
Erschienen: New Delhi 2013
Seiten: 236
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: ca. € 50,00 (internat. Buchhandel)
ISBN: 978-93-83098-00-2
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2014

Besprechung:
Es ist ein Land von der Größe Österreichs, das alle Klimazonen dieser Erde, vom tropischen Regenwald bis zum ewigen Eis in über 7000 Meter Höhe innerhalb seiner Grenzen hat. Zum großen Teil von nahezu undurchdringlichen Wäldern bedeckt ist es so entlegen und so unerforscht, dass man dort noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts überlebende Exemplare der Dinosaurier vermutete, leben dort doch auch so seltene Tiere wie Gaur, Takin, Goral, Argali und Schneeleopard. Eine extra ausgesandte Suchexpedition fand allerdings keine Spur von Sauriern, aber für die Entdeckung neuer Arten von Säugetieren, Vögeln und Fischen ebenso wie unbekannter Arten von Orchidee, Rhododendron und Co. ist dieses Land allemal gut. Darüber hinaus gilt es als eines der anthropologischen Paradiese dieses Planeten, leben hier doch deutlich über 100 verschiedene Ethnien, die mehr als 40 verschiedene Sprachen sprechen und die, oft nur durch einen Bergrücken oder ein tiefes Flusstal getrennt, voneinander unabhängig und unbeeinflusst auf verschiedenen Kulturstufen leben. Rad und Pflug sind weitgehend unbekannt und das Geistesleben der Stämme wird von Mystik, Dämonen und Geistern bestimmt, soweit nicht in den Randgebieten bereits Spuren von Buddhismus, Hinduismus, Islam und Christentum sich mit den vorherrschenden animistischen Glaubensvorstellungen durchmischt haben. Angesichts dieser Vielfalt und Vielschichtigkeit kann es kaum verwundern, dass diese Region auch in der wissenschaftlichen Literatur bis heute weitgehend eine terra incognita ist. Seit dem bekannten Ethnologen Christoph von Fürer-Haimendorf , („Die nackten Nagas“, Leipzig 1939, „Glückliche Barbaren“, Wiebaden 1956) haben nur wenige Forscher die Region bereist und stets nur Bruchteile beschrieben. Der unermüdlich im Himalaya und seinem Dunstkreis reisende und forschende Peter van Ham ist der erste, der den nordostindischen Bundesstaat Arunachal Pradesh – von diesem Land ist hier die Rede – insgesamt näher unter die Lupe nimmt. Auch Peter van Ham hat nur kleine Teile dieser komplexen Region mit ihrer ethnischen Vielfalt besuchen und erleben können – und dies unter erschwerten bürokratischen und tatsächlichen Umständen, deren Bewältigung unsere ganze Bewunderung verdient. Es ist sein großer Verdienst, mit eigenen Erfahrungen und Bildern und mit der Verwendung der Erkenntnisse und Texte seiner Vorgänger ebenso wie mit deren Bildmaterial ein Portrait dieses komplexen indischen Bundesstaates zu zeichnen, wie es vor ihm noch niemand getan hat. Sein Bericht beginnt im äußersten Nordwesten dieses Bundesstaates, wo sich der östliche Himalaya allmählich im südlichen chinesischen Bergland verliert und Arunachal eine Grenze mit Tibet besitzt. Die dort lebenden Monpa, die charakteristische Kappen aus gefilzter Yakwolle tragen, deren eingearbeitete Schwänzchen das in dieser vom Monsun betroffenen Region überaus reichliche Regenwasser ableiten sollen, sind Buddhisten mit ausgeprägten animistisch-schamanistischen Bräuchen. Ihre Feste, ihre Web- und Knüpfarbeiten, Thangkas, Schmuck und Masken für Cham-Tänze folgen tibetischen Traditionen, und das im 17. Jahrhundert gegründete Kloster Tewang bewahrt bedeutende Kunstschätze und Wandmalereien. Die zentrale Zone, der größte Teil von Arunachal, besteht aus einer unendlichen, mit dichtem grünen Regen- und Nebelwald bedeckten Flucht von Berg- und Hügelketten, in denen die unterschiedlichsten Völker und Stämme leben. Sie alle unterscheiden sich in ihren Siedlungsformen, sozialen Strukturen. religiösen Ritualen und Webarbeiten, vor allem aber in der Art, wie sie sich schmücken und kleiden, durch Tätowierungen und anderen Körperschmuck und durch den phantasievollen Gebrauch attraktiver Trophäen aus Flora und Fauna. Tigerzahn und Büffelhorn, Federn von Nashornvogel und anderen bunten Bewohnern des Urwaldes sowie durch Handel erworbene Muscheln und Münzen formen ein Kaleidoskop stets variierender Schmuckelemente. Neben den schon einigermaßen erforschten und dokumentierten Völkern der Nishi, Apatani oder Adi gibt es eine Vielzahl von weiteren Stämmen, von denen man oft wenig mehr als ihren Namen, die ungefähre Lage ihrer Dörfer und im besten Fall einige fotographische Aufnahmen kennt. Die südliche Zone schließlich, die Distrikte südlich des Brahmaputra, grenzen an die Bundesstaaten Assam und Nagaland und lassen sich so beschreiben, dass die dort lebenden Völker und Stämme vor noch gar nicht langer Zeit allesamt Kopfjäger waren, die daran glaubten, mit dem Kopf des Feindes auch seine Seele, Macht und Fruchtbarkeit zu erwerben. Heute verboten existieren gleichwohl Substitutionsrituale mit sichtbarem Ausdruck im Körperschmuck und Tanzformen. Eine durch die Nähe besser erschlossener Bundesstaaten, wie etwa Assam, zunehmende Hinduisierung und Christianisierung lässt aber diese Reste ursprünglichen Volkstums rasch verschwinden oder zu touristischer Folklore verkommen. Umso wichtiger und hoch einzuschätzen ist die vorliegende Bestandsaufnahme der Völker von Arunachal Pradesch durch Peter van Ham, hier insbesondere die Dokumentation ihrer Kunst, ihrer Rituale und ihrer Schmuckformen, denn die Globalisierung wird rasch auch die entlegenen und kaum erschlossenen Gebiete dieser Region erreichen.

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