Blumen – Bäume – Göttergärten – in indischen Miniaturen

Autor/en: Ludwig V. Habighorst
Verlag: Ragaputra Edition
Erschienen: Koblenz 2011
Seiten: 170
Ausgabe: broschiert
Preis: € 24,80
ISBN: 978-3-00-033595-2
Kommentar: Michael Buddeberg, April 2011

Besprechung:
„Das Sammeln ist wie eine chronische Infektion. Einmal infiziert schwelt dieses Leiden unheilbar dahin; zuweilen treten akute Schübe auf, in denen sich die Passion fast zur Obsession verschlimmert. Es ist ein Auf und Ab von Erfolgserlebnissen, verpassten Gelegenheiten, Besitzerstolz und manchmal auch von Frustration.“ So präzise und treffend kann dieses virusartige, unheilbare und doch so beglückende Phänomen des Sammelns nur von einem Arzt beschrieben werden und einem Sammler dazu. Die Rede ist von Ludwig Habighorst, viele Jahre Chefarzt der Radiologie an einem großen städtischen Krankenhaus und seit nunmehr 35 Jahren passionierter Sammler indischer Miniaturen. Der Vergleich kann aber noch fortgesetzt werden: So wie manch chronisch Kranker alles über sein Leiden weiß, so sind es oft die Sammler, die über ein Fachwissen verfügen, das das des professionellen Händlers, Museumskurators oder Kunsthistorikers weit in den Schatten stellt. Das leidenschaftliche Interesse eines wahren Sammlers für sein Gebiet beschränkt sich nicht auf die Objekte selbst, sondern erstreckt sich auf alles Wissen über und rund um das Sammelgebiet, auf alle Informationen, Meinungen, Fragen und Antworten und mögen sie auch so nebensächlich erscheinen. Und – auch das ein Phänomen – nichts davon wird vergessen, das gesamte Wissen des Sammlers über sein Gebiet ist jederzeit präsent und abrufbar. Doch nur wenige dieser großen Kenner greifen auch zur Feder. Ludwig Habighorst ist hier eine Ausnahmeerscheinung. Sein Buch über Gärten, Bäume und Blumen in indischen Miniaturen ist nun schon das dritte in fünf Jahren im eigenen Verlag publizierte Werk, das die traditionelle indische Malerei jeweils unter einem ganz bestimmten Aspekt behandelt. 2006 erschien der Band mit 50 Miniaturen aus einem frühen, um 1610 entstandenen Ragamala, einem im indischen Kulturbereich beliebten Bilderzyklus, einer in Bildern erzählten Synthese von Musik und Dichtung. Die Jagd nach den schließlich erworbenen 49 weiteren Blättern, nachdem das erste gefunden und identifiziert war, wird wohl einer der vom Autor eingangs erwähnten „obsessiven Schübe“ gewesen sein. Im Jahr darauf war die Darstellung von Betel, Tabak, Wein, Hasch und Opium in indischen Miniaturen ein ebenso originelles wie faszinierendes Thema, das Ludwig Habighorst zusammen mit seinem Sammlerfreund Peter A. Reichart und dem indischen Maler Vijay Sharma publizierte und das einige Jahre später dem Museum Rietberg in Zürich gar eine eigene Ausstellung wert war. Und wieder eine, allerdings leider nicht zustande gekommene Ausstellung ist Anlass für das soeben erschienene Buch. Sie war geplant für die Bundesgartenschau 2011 in Koblenz als ein Blick über den Gartenzaun in exotische Gärten, in eine ferne, orientalische Welt, in der Gärten und Blumen und Bäume eine ganz andere Bedeutung haben als hierzulande. Für die Muslime – und diese stehen mit der Dynastie der Moghul-Herrscher für die Anfänge und die Blütezeit der indischen Miniatur – sind Gärten stets ein Ausblick oder Vorgeschmack des Paradieses, während in der Kunst der Hindu blühende Landschaften aber auch Gartenpavillons und Terrassen oft eine Bühne für das bunte Leben und oft durchaus irdische Treiben seiner zahlreichen Götter darstellt. Besonders häufig begegnen wir dabei dem Hirtengott blauhäutigen Krishna, einer Inkarnation des Gottes Vishnu, dessen Flöte als Sinnbild des Menschen gilt. Ein bloßes Stück Holz nur, bedarf sie des göttlichen Atems um sie zum Leben und damit zum Erklingen zu bringen. Krishnas göttliche Liebe zum einfachen Hirtenmädchen Radha oder der Schabernack, den er gerne mit den Menschen treibt, sind beliebte Themen vor allem in der rajputischer Miniaturmalerei. Die dschungelartigen Landschaften, Blumen und Bäume, die Früchte und die Vögel und vielen andern Tiere, die sich im Laub der Bäume und in Teichen und Bächen tummeln, scheinen zunächst nur dekoratives Beiwerk, scheinen bloße Staffage zu den dargestellten Szenen zu sein. Doch mit den ausführlichen Kommentaren des Autors zu jedem einzelnen Bild lernen wir nicht nur Details von oft nur wenigen Millimetern Größe erst zu sehen und zu beachten, sondern wir lernen auch ihre Bedeutung in der Komposition zu erkennen, etwa der Rose als Verkörperung ewiger Schönheit, des Lotos als Symbol für Erleuchtung, Wiedergeburt und Reinheit und heiliger Bäume als Wohnstätten von Göttern und Geistern. Darüber hinaus sind die Kommentare eine Fundgrube für indische Geschichte, für den Pantheon buddhistischer und hinduistischer Gottheiten, für die Malschulen, Stile und Malerpersönlichkeiten der verschiedenen rajputischen Höfe und für die Metaphern, die sich mit der Darstellung von Pfauen, Enten, Narzissen oder Zypressen verbinden. Wir lernen über die Besonderheiten der indischen Miniaturmalerei, die die Perspektive nicht kennt, eine historische Erzählung gerne in einer Darstellung zusammenfasst und Bedeutungen durch Proportionsunterschiede hervorhebt. Kurzum: Ludwig Habighorst verfügt über ein derart umfassendes Wissen über indische Geschichte, Kultur und Kunst, dass sein Buch über Gärten, Bäume und Blumen in indischen Miniaturen mehr hält als der Titel verspricht.

Das Buch kann bestellt werden bei Ragaputra Edition,Herrn Dr. L. Habighorst, Neuendorfer Str. 22, 56070 Koblenz

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