Maharaja – Pracht der Indischen Fürstenhöfe

Autor/en: Anna Jackson, Amin Jaffer, Cgristiane Lange (Hrsg)
Verlag: Hirmer Verlag
Erschienen: München 2010
Seiten: 240
Ausgabe: Hardcover
Preis: € 39.80
ISBN: 978-3-7774-2441-5
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2010

Besprechung:
Die prachtvolle, erfolgreiche und viel gerühmte Ausstellung des Victoria & Albert Museum über Pracht, Luxus und Kunst an indischen Fürstenhöfen ist von der Hypo Kulturstiftung übernommen worden und kann bis Mai in der Münchner Kunsthalle besichtigt werden. Auch der schöne Katalog liegt nun in deutscher Sprache vor. Hier die Rezension der englischen Erstausgabe:

Als Mir Mahboob Ali Khan, der Nizam von Hayderabad im Jahre 1911, nach dem Tode seines Vaters, die Herrschaft über das Fürstentum Hayderabad übernahm, galt er als reichster Mann der Welt. Es war ein Reichtum, der jede Vorstellung übertraf, der nie in Zahlen ausgedrückt worden ist, ein Reichtum, der seine Faszination nicht aus Depots und Beteiligungen, auch nicht aus Ländereien und Palästen herleitete, sondern aus einem unermesslichen Schatz an Gold und Edelsteinen, an Schmuck und Juwelen, ein Reichtum, wie er eines Maharadscha würdig war. Glaubt man der Forbes-Liste der reichsten Männer der Welt, dann sind es auch heute, fast einhundert Jahre nach Mir Mahboob, wieder zwei Inder, die mit ihrem Reichtum ganz vorne stehen, ein Reichtum freilich, der nicht auf Gold und Juwelen gründet, sondern auf Erdöl und Stahl. Man mag das als einen Beleg für die Fähigkeit Indiens sehen, Einflüsse und Trends von außerhalb anzunehmen und in etwas eigenes umzuformen, hier in einen sagenhaften Reichtum. Schon im 16. Jahrhundert, als erste Berichte von europäischen Seefahrern, Abenteurern und Kaufleuten vom Hofe der indischen Mogul-Kaiser nach Europa drangen, waren dessen Glanz und Pracht, die verschwenderische Fülle von Gold, Juwelen und kostbaren Textilien, die Opulenz der Gewänder des Kaisers und seines Hofstaates und die überreiche Ausstattung von Palästen und Staatszelten ein dominierende Thema. Und auch damals schon war die indische Gesellschaft offen und neugierig auf das, was der Westen zu bieten hatte und adaptierte rasch ein aus der europäischen Darstellungsweise von Blumen und Pflanzen abgeleitetes, naturalistisches Floraldesign, das für den Dekor der späten Mogulzeit typisch wurde. Auch die um 1600 von den Briten zu Handelszwecken gegründete East India Company wurde von Indiens Regierenden quasi mit offenen Armen aufgenommen, nicht ahnend, dass man sich damit die Laus in den Pelz gesetzt hatte. Vom Beginn des 18. Jahrhundert, unter Mogul-Kaiser Aurangzeb, schwand die Macht der Dynastie und kollabierte spätestens 1739 als der Perser Nadir Schah Delhi eroberte und den kaiserlichen Schatz plünderte, was als größter Raubzug der Weltgeschichte in die Annalen einging. Das so entstandene Machtvakuum wurde von zahlreichen aufstrebenden kleinen und größeren Fürsten- und Königtümern ausgefüllt, aber auch die East India Company nützte ihre Chance, streifte den Schafspelz ab, wandelte sich in eine politisch, vor allem aber militärisch starke Kraft, um schließlich im Jahre 1857 Indien der britischen Krone zu unterstellen – was bis zur Unabhängigkeit Indiens im Jahre 1947 währen sollte. Diesen gut zweihundert Jahren vom frühen 18. Jahrhundert bis 1947 und der bedeutenden Rolle der Maharadschas in dieser Zeit sind Ausstellung und Katalog des Victoria & Albert Museum gewidmet. Es ist, auf einen knappen Nenner gebracht, eine äußerst opulent ausgestattete, im Katalog reich illustrierte Geschichte des britischen Einflusses in Indien, dargestellt an der spektakulären materiellen Kultur indischer Fürsten, der Nawab, Nizam und Raja, kurz der Maharadschas, wie man sie pauschal seit dem 19. Jahrhundert nennt. Zu sehen sind kostbare Ausstattungsstücke, prunkvolle Waffen, „howdah“ (Elefantensitze) aus Silber, Möbel, prachtvolle Kostüme und Phantasie-Uniformen und immer wieder Juwelen, Turbanschmuck, Colliers, Ringe und Armbänder, stets überreich mit Diamanten, Perlen, Rubinen, Smaragden und Saphiren versehen. Sie wurden für dieses Ausstellungs- und Buchprojekt aus den großen Museen und Sammlungen dieser Welt entliehen aber auch von königlichen Hoheiten und indischen Trusts und Stiftungen, die heute den ehemals fürstlichen Besitz verwalten. Viele der Exponate haben die Paläste für die sie geschaffen wurden, noch niemals verlassen. Sie zeichnen ein Bild indischen Königtums, das tief in die Geschichte zurückreicht. Schon im Mahabharata, dem uralten Nationalepos Indiens, haben die Könige weise und wohltätig zu sein, sind sie erfolgreiche Krieger und geschickte Jäger und sie sind reich. Reichtum ist ein Symbol ihrer Macht, die Juwelen äußere Zeichen der Identität des Herrschers aber auch seiner Patronage für Handwerk und Künste. Das blieb so auch unter britischem Einfluss und selbst dann noch als die Maharadschas zu Untertanen der Queen geworden waren. Es mag sein, dass die Bereitwilligkeit, mit der die indischen Prinzen – so ihr Status im British Empire – europäische Architektur, europäische Kleidung und Lebensart übernahmen, aus der britischen Sicht von Ausstellung und Katalog ein wenig überzeichnet ist. Fakt ist indessen, dass es vor allem im späten 19. Jahrhundert unter den indischen Prinzen zur Mode wurde, nach Europa zu reisen, sich dort lange, bevorzugt in London und Paris aufzuhalten, an gesellschaftlichen Ereignissen, Jagd, Pferderennen und Casino teilzunehmen und – vor allem – einzukaufen. Es war die große Zeit von Baccara, Christofle und Royal Worcester, von Rolls Royce und Daimler (zum Fuhrpark des Maharadscha von Mysore etwa gehörten nicht weniger als 24 Rolls Royce und Bentley) und der feinen Schneider der Savile Row. Vor allem aber die großen europäischen Juweliere wie Cartier, Chaumet, Boucheron und van Cleef & Arpels hatten alle Hände voll zu tun, erhielten die größten Schmuckaufträge aller Zeiten und konnten diese auch nur deshalb ausführen, weil die Prinzen ihre hasel- und walnussgroßen Steine selbst kofferweise beistellten. Das heraufziehende 20. Jahrhundert, der erste Weltkrieg und schließlich ein mahnender Mahatma Gandhi mit seiner einfacher Stahlbrille und im dhoti, dem traditionellen indischen Baumwollgewand, bewirkten, dass die Reisen der Prinzen nach Europa und ihre eigentlich nicht indischer Tradition entsprechende Entfernung von sozialer und politischer Verantwortung zunehmend kritisch gesehen wurden. Das Ende ist bekannt. 1947 gingen die indischen Fürstentümer in den neu geschaffenen Staaten Indien und Pakistan auf. Hayderabad folgte ein Jahr später und auch der Juwelenschatz des Nizam von Hayderabad ist heute indischer Staatsbesitz – doch das ist eine andere Geschichte (s. die Buchbesprechung „Jewels der Nizam“). Die Geschichte der Maharajas vom frühen 18. Jahrhundert bis zum Jahre 1947 und ihre beispiellose materielle Kultur wird in dem Katalogbuch nicht nur mit den einzigartigen Exponaten, sondern auch in sieben sorgfältigen Essays dargestellt. Dazwischengestreut sind visuelle und erzählende Portraits bedeutender Maharadschas, entweder im vollen Juwelenornat, in Uniform oder im europäischen Frack, wobei die eindrucksvollsten Bilder unter anderem auch berühmten Fotografen von Samuel Bourne bis Man Ray zu verdanken sind.

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