Rajput Painting – Romantic, Divine and Courtly Art from India

Autor/en: Roda Ahluwalia
Verlag: The British Museum Press
Erschienen: London 2008
Seiten: 176
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 16.99 englische Pfund
ISBN: 978-30-7141-2435-3
Kommentar: Michael Buddeberg, September 2008

Besprechung:
Die höfische Miniaturmalerei unter den großen Mogul-Kaisern Babur, Akbar, Jahangir, Schah Jahan und Aurangzeb ist eingehend erforscht und vielfach publiziert. Die großen Illustrationswerke, etwa das berühmte Hamzamana, die mit großen Miniaturen geschmückte Sammlung von Erzählungen der ereignisreichen Abenteuer Hamzas, eines Onkel des Propheten Muhammad, und viele andere, wie sie unter der Protektion, dem Mäzenatentum und der Sammelleidenschaft der großen Kaiser entstanden sind, repräsentieren einen künstlerischen Höhepunkt, der kaum je noch einmal erreicht und nirgendwo übertroffen worden ist. Neben diesen grandiosen Werken der Weltkunst ist die weit mehr in der hinduistischen Tradition wurzelnde Miniaturmalerei an den Fürstenhöfen der Rajputen weit weniger bekannt und kaum publiziert. So ist das Buch der indischen Autorin, das zu diesem Thema die bedeutende Miniaturensammlung des British Museum und die Manuskript-Bestände der British Library erstmalig erschließt, fast so eine Art Entdeckung einer indischen Wirklichkeit und Geisteswelt, die durch die islamisch geprägte, zunächst zentralasiatisch, dann persisch und später auch europäisch beeinflusste Kultur und Malerei der Mogulen kaum wahrgenommen wurde. Die Inhalte dieser Malerei in der klassischen hinduistischen Tradition Indiens speisen sich aus der populären Literatur und Poesie über Romanzen, Heldentum und Götterverehrung. Sie sind Bild gewordene Volkserzählungen, Liebeslieder und religiöse Geschichten, Mythen und Legenden, eine Traumwelt von Fantasie und Farben. Die großen indischen Epen von den Puranas bis zur Gitagovinda, von Bhagavata bis Mahabharata sind unerschöpfliche Quellen für Illustrationen zu Heldentum und Liebe. Die Menschlichkeit indischer Gottheiten, ihre Verfehlungen und Kriegstaten, vor allem aber ihre amourösen Abenteuer lassen die Grenzen zwischen religiöser und weltlicher Kunst vergessen und ergeben ein unvergleichliches Genre. Immer wieder vor allem begegnen wir Krishna, dem jugendlichen Hirtengott, Liebling der indischen Götterwelt und seiner Gefährtin Vraja. Der zeitliche Rahmen der im Buch behandelten Miniaturmalerei spannt sich vom 15. bis zum beginnenden 19. Jahrhundert. Trotz der Macht und Strahlkraft des Mogulreiches und bei allem Einfluss der kaiserlichen Malwerkstätten, haben sich die Staaten Rajasthans in all dieser Zeit ihre Eigenständigkeit und damit auch ihre kulturellen Eigenheiten und die stilistischen und inhaltlichen Besonderheiten ihrer malerischen Traditionen mehr oder weniger bewahren können. Erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung wurde der kaiserliche Einfluss auch dort spürbar. So gewinnt in den Fürstenstaaten mehr und mehr die in der alten Tradition unbekannte Portraitmalerei an Bedeutung. Doch im Gegensatz zu den fast fotografisch exakten Portraits der Mogul-Kaiser, sind die Portraits rajastanischer Miniaturisten oft ikonographisch verfremdet und, der malerischen Tradition folgend, mit symbolhafter Bedeutung aufgeladen. Mit der schwindenden Macht der Mogulen seit dem 17. Jahrhundert nimmt der Austausch zwischen dem kaiserlichen Werkstätten und den fürstlichen Höfen noch zu. Mogulische Hofmaler wechseln an rajputische Höfe und die Übernahme mogulischer Techniken unter Beibehaltung des genuinen indischen Stils führt zu einem Höhepunkt rajputischer Malerei im 17. und 18. Jahrhundert. Erst der Einfluss der Briten, die ostindische Kompanie und das heraufbrechende Zeitalter des Kolonialismus bereiten dieser einzigartigen Verbindung hinduistischer und muslimischer Ideen und Ideale ein Ende. Westliche Bildtechniken, nicht zuletzt auch die aufkommende Photographie beenden eine 200 Jahre währende Blüte der Miniaturmalerei. Das Buch ist eine umfassende Monographie dieser Kunst. Nach einer Einführung in Geschichte und Religion der nordwestindischen Fürstenstaaten und einer Darstellung der Quellen und Inhalte der Malerei wird die Entwicklung von frühen Manuskripten des 15. Jahrhunderts bis zum 19. Jahrhundert beschrieben. Dabei sind den verschiedenen Rajputenstaaten und ihren lokalen Besonderheiten und Stilen eigene Kapitel gewidmet. Neben Mewar, Amber und Jaipur ist es vor allem Bundi, wo rajputische Malkunst durch die Übernahme mogulischer Techniken zu einem Höhepunkt geführt wird, wo aber auch zugleich die typische, volksnahe Thematik einer mehr höfischen Kunst Platz macht, deutlich bemerkbar durch die Zunahme von Harems- und anderen erotische dominierten Hofszenen. Die religiös gefärbte, symbolische Liebe von Krishna weicht nun einer Erotik des raffinierten Sinnengenusses, Höhepunkt einer Kunstform und Vorbote ihres Niedergangs. Neben der Malerei Rajastans wird auch das angrenzende Zentralindien, vor allem aber die Pahari-Schule behandelt. Hier, in den „foothills“ des westlichen Himalaya, den Punjab Hill States, hat die schöne und oft auch dramatische Umgebung die Künstler zu einem ganz eigenen Stil inspiriert. Reich geschmückte und farbenfroh gekleidete Gestalten mit offenen Gesichtern sind vor einem meist blau oder grün gehaltenen, miniaturhaft fein gestalteten landschaftlichen Hintergrund zu sehen, der in seiner symbolischen Bedeutung die dargestellten Szenen emotional überhöht. Ein empfehlenswertes Buch über die Vielfalt und Schönheit einer nur wenig bekannten, genuin indischen Kunst.

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