Chaukhandi Tombs – Funerary Art in Sind and Baluchistan

Autor/en: Salome Zajadacz-Hastenrath
Verlag: Oxford University Press
Erschienen: Oxford und New York 2003
Seiten: 182
Ausgabe: Halbleinen mit Schutzumschlag
ISBN: 019-579771-X
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2004

Besprechung:
Es ist ein selbst in der wissenschaftlichen Welt bemerkenswertes Ereignis, wenn eine vor 25 Jahren in deutscher Sprache erschienene kunsthistorische Untersuchung („Chaukhandigräber – Studien zur Grabkunst in Sind und Baluchistan“, Steiner Verlag 1978) 25 Jahre später in englischer Sprache neu aufgelegt wird. Die darin zum Ausdruck kommende Bedeutung dieser Arbeit kann aber auch nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die kunsthistorische Erschließung und Datierung der vor nunmehr etwa einhundert Jahren entdeckten, ungewöhnlichen und daher so geheimnisvollen „Beludschengräber“ ist eine Pionierleistung der 1998 verstorbenen Autorin, eine einzigartige systematische Studie zu einer Grabmaltypologie auf dem indischen Subkontinent, die sich bis zum ersten Erscheinen des Buches scheinbar jeder Deutung entzogen hatte. In einer Region, in der eine Bestattung unter einfachen Grabhügeln aus Erde, Feld- oder Bruchsteinen üblich ist, mussten diese in Form und Dekor außerordentlich aufwendigen Grabdenkmäler Anlass zu Legenden geben, deren spektakulärste wohl diejenige ist, dass in den Gräbern die Gefallenen des Heeres von Mohammed bin Qasim ruhen, des ersten islamischen Eroberers, der im 8. Jh. christlicher Zeitrechnung in den Sind kam. Nachdem die Grabmäler keine Inschriften aufweisen und zurückverfolgbare lokale Traditionen fehlen konnte allein eine sorgfältige stilkritische Untersuchung Aufschluss über das Alter und die Geschichte dieser in der islamischen Welt einzigartigen Grabmalkunst bringen. Das ist schnell und leicht gesagt, berücksichtigt aber nicht die davor liegende, langwierige, mühevolle und bewundernswerte Feldarbeit. Die Autorin hat in der Zeit von 1970 bis 1976 als sie in Karachi lebte, 50 dieser Gräberfelder mit etwa 2000 Einzeldenkmälern besucht, entdeckt und aufgenommen. Der Friedhof von Chaukhandi, etwa 30 Kilometer östlich von Karachi, von dem diese Grabmäler heute ihre Bezeichnung ableiten, war dabei einer von ganz wenigen, die bekannt und leicht erreichbar waren. Weit mehr mussten mühsam ohne brauchbares Kartenmaterial und ohne exakte und verlässliche Wegbeschreibungen erst gesucht und gefunden werden. Mit dem so erschlossenen Material und mit dem durch kunsthistorische Methodik geschulten Sinn für die künstlerische Form gelang es Frau Zaradacz-Hastenrath, die ver-schiedenen Formen dieser Grabmäler als Stilstufen des gleichen Typs zu erklären und diese in die Zeit zwischen dem 15. und dem 18. Jahrhundert zu datieren. Die Chaukhandigräber sind aus sorgfältig behauenen, oft zusätzlich mit Steinmetzarbeiten verzierten, dicken Steinplatten aufgebaut. Über einer niedrigen Sockelplatte ist meist ein sarkhophagähnlicher Kasten aus mehreren senkrecht zusammengestellten Platten aufgesetzt, der durch waagrecht darüber gelegte Platten abgedeckt wird. Den oberen Abschluss bilden dann mehrere Lagen horizontaler, sich verjüngender Platten. Der Höhepunkt der Entwicklung dieser Chaukhandigräber liegt im frühen 17. Jahrhundert. Die in dieser Zeit stark plastische und in immer neuer Aufteilung der Fläche einfallsreiche, geradezu „barock“ wirkende Dekoration ist islamische Ornamentalkunst allererster Güte. Sie hat bei vielen der Gräber die einer streng islamischen Auffassung zuwiderlaufende Besonderheit, dass sie sich nicht auf geometrischen oder floralen Dekor beschränkt, sondern sich zur Kennzeichnung des oder der Verstorbenen der Abbildung von Waffen, Reitern oder Schmuck bedient. Gelegentlich finden sich sogar ganze Szenen, die Rückschlüsse auf die soziale Stellung des Verstorbenen erlauben. Die Untersuchung ist reich illustriert (schwarz-weiß) und wird ergänzt durch Ornamenttafeln mit der systematischen Darstellung der bei den Chaukhandigräbern angewandten, teils einfachen, teilweise aber hoch-komplizierten ornamentalen Muster, mit denen anonyme Steinmetze diese Gräber überreich verzierten. Mit der nun vorliegenden englischen Ausgabe wird diese bedeutende Arbeit zur indo-islamischen Architektur und Ornamentik breiten Kreisen zugänglich.

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