India and Portugal – Cultural Interactions

Autor/en: José Pereira, Pratapaditya Pal (Hrsg)
Verlag: keine Angabe
Erschienen: Mumbai 2001
Seiten: 156
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 66,– US-$
ISBN: 81-85026-54-8
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2004

Besprechung:
Als der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama nach der abenteuerlichen Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung am 27. Mai 1498 bei Calicut indischen Boden betrat war dies aus damaliger Sicht weit bedeutsamer als Columbus´ Entdeckung Amerikas sechs Jahre zuvor, hatte Da Gama doch genau das gefunden, was er im Auftrage des portugiesischen Königs Manuel entdecken sollte: Den Seeweg in das Land, wo der Pfeffer wächst. Es war der Beginn portugiesischer Besitzungen in Indien, an der Westküste des Subkontinents, aber auch in Bengalen, eine koloniale Präsenz, die immerhin bis tief ins 20. Jahrhundert Bestand haben sollte. Erst im Dezember 1961 wurde Goa, seit 1510 Hauptstadt von portugiesisch Indien und Sitz eines Erzbischofs, von indischen Truppen besetzt und der Republik Indien eingegliedert. 450 Jahre portugiesischer Einfluß in Indien, der blühende Gewürzhandel und eine starke römisch-katholische Präsenz haben Geschichte, Politik und Kultur, Kunst, Musik und Wissenschaft, vor allem aber die Architektur der Region entscheidend geprägt. Der nun vorliegende Band der von P.Pal herausgegebenen Schriftenreihe zu Gegenständen asiatischer Kunst und Kultur, die jeweils etwa ein Dutzend Beiträge anerkannter Forscher und Wissenschaftler zu einem bestimmten Thema vereinigt, ist diesem westlichen Einfluß in Indien gewidmet. Dort, in Goa und in Kotschin, in Kolkota, Priol und Margao begann im frühen 16. Jahrhundert etwas, was sich in nachfolgenden Jahrhunderten bis heute nahezu epidemisch über die ganze Welt ausbreiten sollte: Die Verwestlichung einer so gar nicht westlichen Welt. Die Traditionen Portugals drangen so tief ein in die Kultur der Provinz Kerala an der Malabarküste, dass es im Rückblick oft schwer fällt, festzustellen, was ist ursprünglich und was ist fremd. Das gilt für den berühmten Mando, der Musik, Poesie und Tanz vereint, ebenso wie für die gebietstypische Küche. Die Wurzeln des Mando in europäischer Barockmusik sind unverkennbar, doch wer ahnt oder weiß, dass der unentbehrliche chilli powder erst von den Portugiesen auf den Subkontinent gebracht wurde? Am augenfälligsten ist die Synthese der Kulturen in der Architektur, der religiösen ebenso wie der profanen. Der Entwicklung der Kirchen- und Tempelarchitektur in Goa, den typischen Haus- und Bauformen und einer architektonischen Spezialität, den charakteristischen gedeckten Veranden und balcaos, das sind dem Hauseingang vorgelagerte, schattige und mit Sitzgelegenheiten versehene Aufenthaltsräume, sind fünf Beiträge gewidmet. Die blühende koloniale portugiesische Kirchenarchitektur – allein in Kotschin wurden in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts 23 große Kirchen errichtet – hatte einen so bestimmenden Einfluss, dass mancher Hindutempel von einer europäischen Dorfkirche kaum zu unterscheiden ist. Andererseits hat die Gestaltung hinduistischer Tempelkuppeln deutlich auf Kirchtürme und Votivkreuze in Südindien abgefärbt. Zwei Beiträge befassen sich schließlich mit seltenen illustrierten Manuskripten in portugiesischer und holländischer Sprache, die Aufschluss geben über Traditionen und Gebräuche der Menschen in Indien im 16. Jahrhundert. Auch sie sind Zeugnis gegenseitiger Beeinflussung in Stil und Sujet, denn bis heute ist ungeklärt, ob die lebendigen und humorvollen Miniaturen des „Códice Casanatense“ von der Hand eines portugiesischen oder eines indischen Künstlers stammen. Ein Beitrag zum Kunsthandwerk, europäische Sitzmöbel, gefertigt und verziert von indischen Schreinern, zeigt, dass die kulturelle Interaktion sämtliche Bereiche erfasste. Das Buch ist ein hochrangiger Sammelband zu einem ungemein interessanten Thema.

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