In Harmony – The Norma Jean Calderwood Collection of Islamic Art

Autor/en: Mary McWilliams (Hrsg)
Verlag: Harvard Art Museums, Yale University Press
Erschienen: Cambridge, New Haven, London 2013
Seiten: 304
Ausgabe: Hardcover im Leinenschuber
Preis: USD 75,00
ISBN: 978-0-300-17641-4
Kommentar: Michael Buddeberg, April 2013

Besprechung:
Denkt man an Harvard und den Islam, so wird einem wohl zuallererst die große Islamistin Annemarie Schimmel einfallen, die immerhin 25 Jahre lang Fakultätsmitglied der Harvard University in Cambridge gewesen ist. Oder man denkt an die bedeutenden Kunsthistoriker Oleg Grabar und Stuart Cary Welsh, die beide an der Harvard University wirkten und ohne die das Wissen und die Literatur zur islamischen Kunst ungleich ärmer wäre. Im Gegensatz zu diesen unvergessenen Koryphäen aus der wissenschaftlichen Welt blieb Norma Jean Calderwood, obwohl sie einen wesentlichen Teil ihres Lebens dem Studium und der Lehre der islamischen Kunst gewidmet hat, recht unbekannt. Durch ihre Vorlesungen im Boston Museum of Arts und am Boston College mag sie in diesem geographischen Rahmen eine Anhängerschaft gewonnen haben, den Wenigsten von ihnen war jedoch bekannt, dass Norma Jean Calderwood in einem Zeitraum von ca. 30 Jahren zusammen mit Ihrem Ehemann Stanford, einem erfolgreichen Geschäftsmann, eine beachtliche Sammlung islamischer Kunst zusammengetragen hat. Es ist daher hoch an der Zeit und entspricht dem Vermächtnis von Norma und Stan Calderwood, dass die schon im Jahre 2002 dem Harvard Art Museum geschenkte Sammlung in einer Ausstellung – zu sehen im Arthur M. Sackler Museum bis zum 1. Juni 2013 – mit begleitendem Katalog der internationalen Öffentlichkeit vorgestellt wird. Es ist eine Sammlung, die – und das ist immer das ganz besondere und faszinierende an privaten Sammlungen – den Zugang und die Vorlieben des/der Sammlers/Sammlerin zu der von ihm/ihr gesammelten Kunstgattung zeigt und vor allem seine/ihre Entwicklung des Geschmacks und die individuell gesetzten Schwerpunkte der Sammeltätigkeit. Bei der Sammlung von Norma Calderwood ist das ganz besonders ausgeprägt. In den ersten zehn Jahren des Sammelns galt ihr Interesse fast ausschließlich der islamischen Keramik, hier vor allem der Keramik mit kalligraphischem Dekor, wie sie besonders aus samanidischer Zeit im 10. Jahrhundert, vor allem aus den Zentren Nishapur und Samarkand bekannt ist. Begeisternd schön etwa ist die große elfenbeinfarbige Schale aus Samarkand mit konzentrisch angeordneter Kalligraphie in rot und schwarz, die überaus dekorativ auch den Einband des schönen Kataloges ziert. Ein weiterer Schwerpunkt sind bedeutende Exemplare von Lüsterkeramik, die vielleicht als die bedeutendste Innovation islamischer Töpfer gelten kann. Mit den 52 insgesamt vorgestellten Stücken, darunter dekorativen polychromen Beispielen aus Nishapur, wird der gesamte Bereich islamischer Keramik beispielhaft erfasst. In der auf die Keramik folgenden Sammelphase von Norma Calderwood in den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dominiert die Kunst auf Papier. Schwerpunkt der insgesamt knapp fünf Dutzend im Katalog gezeigten Miniaturen im Folioformat sind Illustrationen zu Ferdowsis Shanama, dem berühmten Buch der Könige, die im späten 15. und 16. Jahrhundert in Schiras entstanden sind. Es ist zwar nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Bereich persischer Miniaturmalerei, der hier aber repräsentativ und mit vorzüglichen Beispielen vorgestellt wird, Ergebnis gezielter Beschäftigung mit einem sehr speziellen Höhepunkt islamischer Kunst, wobei allein zu bedauern ist, dass die Abbildung der Miniaturen im Katalogteil leider zu miniaturhaft geraten ist. Nur wenige werden im Rahmen der begleitenden Essays in größerem Format gezeigt. Durch diese Essays wird aus dem Katalog erst ein wichtiges und hochaktuelles Buch zur islamischen Kunst, denn die insgesamt neun Beiträge von namhaften Wissenschaftlern, deren jeder eine Verbindung zu Harvard hat, verleihen der Sammlung Calderwood trotz ihrer von dem Sammlungsbereichen begrenzten Thematik die breite Wirkung, die sie verdient. Jeder der Autoren trägt, ausgehend von Beispielen der Sammlung eigene und weiterführende Forschungsergebnisse vor und stellt die Sammlung damit in den Kontext der zeitgenössischen islamischen Kunstwissenschaft. Als Beispiele mögen hier die Untersuchungen zur Verwendung von Kobalt-Blau in islamischer Keramik von Jessica Chloros und Katherine Eremin genannt sein, der Beitrag von Marianna Shreve Sipson über die Bedeutung von Schiras als Zentrum für Kalligraphie, Illumination und Bucheinband seit der Mitte des 15. Jahrhunderts und der Essay von Walter Denny, der an Objekten der Sammlung Calderwood darlegt, wie künstlerische Traditionen von außen die islamische Kunst des mittleren Osten beeinflusst haben. In der ihm eigenen Art zeigt Denny auf, wie Elemente der chinesischen Kunst vollständig im persischen Stil aufgingen, etwa so wie die Pizza in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts zu einem Stützpfeiler der amerikanischen Küche wurde. Mag dieser Vergleich auch etwas provokant sein, Walter Dennys Beitrag beschwört ebenso wie die Sammlung von Norma Jean Calderwood die der islamischen Kunst innewohnende Dynamik, aus der sie ihre Schönheit, Vielfalt und Faszination bezieht.

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