Schätze des Aga Khan Museums – Meisterwerke der islamischen Kunst

Autor/en: Verena Daiber, Benoit Junod (Hrsg)
Verlag: Nicolaische Verlagsbuchhandlung
Erschienen: Berlin 2010
Seiten: 288
Ausgabe: Klappenbroschur
Preis: € 34.95
ISBN: 978-3-89479-603-7
Kommentar: Michael Buddeberg, April 2010

Besprechung:
His Highness Prince Karim Aga Khan IV, 1937 als britischer Staatsbürger geboren, gehört zweifellos zu den schillerndsten Prominenten dieser Welt. Die Zeiten, da er als begehrter Playboy, Skirennfahrer und Teilnehmer an Olympischen Spielen in der Regenbogenpresse präsent war und sich mit Edelsteinen aus eigenen Bergwerken aufwiegen ließ, sind zwar vorbei, doch als Bewunderer schöner Frauen, Bewohner eines noblen Schlosses bei Paris und Besitzer eines immensen Vermögens ist Aga Khan noch immer eine bekannte Person. Daß er zugleich das geistige Oberhaupt der Ismailiten ist, einer islamischen Glaubensgemeinschaft von fast 20 Millionen Gläubigen, die überwiegend in Indien, Pakistan, Afghanistan und verstreut in 20 weiteren Ländern der Erde leben und denen er als direkter Nachkomme des Propheten Mohammed gilt, verleiht seiner Prominenz den Hauch des Erhabenen und Geheimnisvollen. Weit weniger bekannt ist das humanitäre Engagement des Aga Khan, der als einer der bedeutendsten Mäzene unserer Zeit bezeichnet werden kann. Das Aga Khan Development Network ist wohl das weltweit größte private Entwicklungshilfe-Netzwerk, das in der Dritten Welt unter anderem Projekte zur Gesundheitsförderung und zur landwirtschaftlichen Entwicklung betreibt, sich um Umweltfragen und die Wasserversorgung kümmert, das Kleinunternehmertum fördert und im Kampf gegen Armut und Drogen hilft. Um die Kultur, vornehmlich um Bildung und Erziehung bemüht sich der Aga Khan Trust for Culture und neben Förderprogrammen für den Wiederaufbau historischer Stadtkerne in der islamischen Welt ist hier vor allem das Aga Khan Museum für Islamische Kunst und Kultur zu nennen, das im Jahre 2013 in Toronto in einem von dem japanischen Architekten Fumihiko Maki errichteten Museumsbau eröffnet werden wird. Das erste Museum dieser Art auf dem nordamerikanischen Kontinent soll nicht nur dort, sondern weltweit ein besseres Verständnis des Islam als einer toleranten, pluralistischen Kultur fördern, die seit mehr als einem Jahrtausend zur Universalität von Wissen und zum interkulturellen Dialog wesentlich beigetragen hat. Bevor die in Generationen gewachsene Sammlung islamischer Kunst in Toronto ihre ständige Heimat findet, tourt sie durch Europa und kann derzeit (bis zum 6.Juni 2010) im Berliner Martin Gropius Bau besucht werden. Der zur Ausstellung erschienene Katalog ist eine Reise durch die islamische Welt. Das verbindende Thema, das diese vom extremen Westen Afrikas und Europas bis nach Zentralasien und den Subkontinent reichende Welt zusammenfasst, ist der Koran als sichtbarer Ausdruck des gemeinsamen Glaubens. Kostbare Koranblätter und illuminierte Prachtkorane aus allen Teilen der muslimischen Welt machen schon am Anfang des Kataloges deutlich, dass der Schwerpunkt der Aga Khan Sammlung auf den visuellen Manifestationen der Worte Allahs und seines Propheten liegt. Schrift und deren zur Ehre Allahs entwickelte Kunstform, die Kalligraphie, findet sich fein geschnitzt in Holz, gemeisselt in Stein, kunstvoll geformt als Baukeramik, ziseliert und eingelegt in Arbeiten aus Metall, auf Keramik, Pergament und Perlmutt, eingewebt in Textilien und sogar als feine Blattgoldauflage auf einem fragil skelettierten Kastanienblatt. Und natürlich und immer wieder auf Papier, in Büchern und als Text oder Legende zu feinsten Miniaturen. Doch dazu später. Die Reise beginnt in Spanien mit der ersten islamischen Dynastie der Umayyaden, der es schon bald nach dem Tode des Propheten gelungen war, die neue Religion von Andalusien bis nach Afghanistan zu verbreiten. Ägypten und Syrien unter den Abbasiden, Fatimiden und den Maluken sind die weiteren Stationen dieser Reise, und ein Abstecher nach Norden führt in das Reich der Osmanen, das bis ins 20. Jahrhundert Bestand haben sollte. Weiter im Osten, in Irak und Iran, sind es nach den Samaniden, Seldschuken und Timuriden vor allem die Safawiden, die ein reiches künstlerisches Erbe hinterlassen haben. Auch hier führt deren Nachfolgedynastie der Quadscharen bis ins 20. Jahrhundert. Das Schlusskapitel ist dann Indien und der glanzvollen Zeit unter den Mogul-Kaisern gewidmet. Wer diese Reise von Andalusien bis nach Indien zugleich als eine Reise durch die Zeit, durch mehr als ein Jahrtausend versteht, für den erschließt der Katalog in knapper Form auch die Abfolge, Verbindung und Verzahnung der politisch mitunter hochkomplexen Dynastien der islamischen Welt, wobei die Objekte der Sammlung mit Erklärung der stilistischen Besonderheiten, der Einflüsse und handwerklichen Techniken wertvolle Hilfe leisten. Diesem didaktischen Konzept schadet es auch keineswegs, dass sich in der Aga Khan Sammlung – sieht man von einem geschnitzten timuridischen Türflügelpaar, einem prachtvollen mongolischen Zeremonialgewand aus Seide oder der einen oder anderen Keramik einmal ab – keineswegs nur Spitzenstücke befinden, dies allerdings mit einer bedeutenden Ausnahme: Das ist die Kunst auf Papier, Miniaturen vor allem, die in kaum einer anderen Sammlung islamischer Kunst in solcher Quantität und vor allem Qualität zu finden sind. Das sind die schon erwähnten Korane und Koranblätter, darunter ein Doppelblatt aus dem berühmten „Blauen Koran“, geschrieben im 9./10. Jahrhundert in goldener Kufi-Schrift auf indigoblau eingefärbtem Pergament. Hier sehen wir auch das älteste arabische Manuskript des „Kanon der Medizin“ des Ibn Sina, der in Europa als Avicenna bekannt wurde, das in der Übersetzung von Gerhard von Cremona bis ins 17. Jahrhundert das wichtigste medizinische Lehrbuch für alle Ärzte in Europa war. Lebensnahe Portraits der Mogul-Kaiser und Blätter aus Kalligraphiealben, auf deren Blattrand sich Vögel, Antilopen und Tiger zwischen blühenden Pflanzen tummeln stehen für die hohe Kunst indischer Miniaturmalerei. Die Krone aber gebührt zweifellos dem unter dem safawidischen Schah Tahmasp (reg.1524-1576) fertiggestellten „Buch der Könige“, einer mit Miniaturen illustrierten Ausgabe des um das Jahr 1010 erstmals erschienenen Shaname von Ferdowsi, dessen künstlerische Qualität unerreicht ist. Die Sammlung Aga Khan besitzt nicht weniger als neun Blatt aus diesem Hauptwerk safawidischer Buchkunst, darunter die Sultan Muhammad zugeschriebene Miniatur des legendären Königs Gayumar, umgeben von Engeln, Menschen und Tieren in einer paradiesischen Landschaft, die Vision einer friedvollen Welt und der absolute Höhepunkt persischer Miniaturmalerei.

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