De Byzance à Istanbul – Un Port por deux Continents

Autor/en: Edhem Elgen (Hrsg)
Verlag: Réunion des musées nationaux
Erschienen: Paris 2009
Seiten: XX 364
Ausgabe: Klappenbroschur
Preis: € 49.–
ISBN: 978-2-7118-5625-1
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2010

Besprechung:
Neben Essen – für die Kulturlandschaft Ruhr – und dem ungarischen Pécs ist 2010 auch Istanbul europäische Kulturhauptstadt. Damit wurde vom Rat der Europäischen Union zum ersten Mal eine nicht in einem EU-Land liegende Stadt mit diesem prestigeträchtigen Titel gekürt, noch dazu eine Stadt, die nur teilweise auf europäischem Boden liegt. Über die politischen Hintergründe und Implikationen dieser Wahl angesichts der kontroversen Diskussion über einen Beitritt der Türkei zur EU mag nun trefflich spekuliert werden können, doch gibt es in der Tat nur wenige Städte in Europa, deren kulturelle und ganz besonders auch europäische Vergangenheit vergleichbare Bedeutung besitzt wie diejenige Istanbuls. Der Sage nach wurde die Stadt an einem seit dem Neolithikum besiedelten Platz um 660 v.Chr. von dem legendären griechischen Heerführer Byzos aus Megara als Byzantion gegründet. Fast eintausend Jahre war Byzanz dann eine griechische, wenn auch wegen seiner strategischen Lage am Übergang nach Asien immer wieder aus dem Osten bedrohte Stadt. Im Jahre 324 n.Chr. fiel Byzanz an den römischen Kaiser Konstantin, der die Stadt mit dem neuen Namen Konstantinopel zur Hauptstadt des Römischen Reiches erhob. Aus den antiken römischen, aus griechisch-hellenistischen und den neu sprießenden, von Konstantin geförderten christlichen Wurzeln entstand das oströmische Reich und erwuchsen byzantinische Kunst und Kultur, die in Konstantinopel stets ihren Mittelpunkt hatten. Trotz dunkler Epochen – so wurde Konstantinopel 1204 von den Rittern des vierten Kreuzzuges erobert und geplündert – hatte auch das Reich von Byzanz mehr als eintausend Jahre Bestand – bis zur Eroberung durch den türkischen Sultan Mehmet II, der 1453 in Konstantinopel einzog und die Stadt zur Hauptstadt des Osmanischen Reiches machte. Unter Süleyman dem Prächtigen (1520-1566) wurde das Osmanische Reich zur Weltmacht aber die Expansion des Osmanischen Reiches nach Norden und Westen, auf den Balkan und schließlich bis an die Stadtgrenzen Wiens und der zunehmende und seit dem 18. Jahrhundert immer stärker werdende Einfluss Europas lassen auch die muslimische Herrschaft über Konstantinopel als Teil europäischer Geschichte und Kultur erscheinen. So ist der Katalog der großen, der Geschichte dieser Metropole gewidmeten Ausstellung im Grand Palais in Paris (bis zum 25. Januar 2010) ein geeignetes Medium, um sich auf die vielfältigen Events des Kulturjahres 2010 in Istanbul einzustimmen, sei es nun die Eröffnung der Museums der Unschuld durch Orhan Pamuk im Mai 2010, die Parade der großen Windjammer, ebenfalls im Mai, oder die J.S.Bach-Tage im Oktober – um nur einige zu nennen. Etwa 500 Exponate und knapp 20 Essays führen in drei großen Abschnitten von den Anfängen im Neolithikum bis heute durch die Geschichte der Stadt. Der erste Abschnitt ist vor allem der hellenistischen Periode gewidmet, wobei unter den Artefakten frühbyzantinischer Goldschmuck und marmorne Grabstelen aus dem Archäologischen Museum in Istanbul hervorzuheben sind. Die oströmische Epoche glänzt mit byzantinischer Kunst und Kunsthandwerk aus Elfenbein, Seide, Gold, Silber, Lapislazuli und Bergkristall, mit Gemmen und Kameen und mit einem Fragment jener Eisenkette aus dem 15. Jahrhundert, mit der die Einfahrt von Schiffen am Goldenen Horn verhindert werden sollte. Die Hagia Sophia, Fragmente oströmischer Kirchen- und Klosterbauten, Mosaiken und Rekonstruktionen römischer Prachtbauten vermitteln ein Bild des römisch geprägten, mittelalterlichen Konstantinopel, während jüngste Bemühungen maritimer Archäologie im ehemaligen Hafen von Théodose die sensationellen Reste von Handelsschiffen aus dem 9. Jahrhundert zu Tage förderten. Dank der schier unerschöpflichen Schätze des Topkapi-Palastes ist die osmanische Epoche, vor allem deren höfische Kultur mit ihrem raffinierten Luxus und den Kunst- und Prestigeobjekten zur Ehre und zum Ruhm des Sultans am besten dokumentiert. Prunkwaffen, Seidengewänder, kostbare Agraffen, frühes chinesisches Porzellan, prachtvolle Korane, Bergkristallgefäße, Teppiche und farbenprächtige Keramik aus Iznik künden vom Reichtum und der kunsthandwerklichen Fertigkeiten im Reich der Osmanen. Zeugnisse aus dem vielfältigen religiösen Leben der Stadt sowie Ansichten westlicher Reisenden, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen, zeigen, dass Konstantinopel auch unter osmanischer Herrschaft stets eine kosmopolitische Stadt geblieben ist, ein Schmelztiegel von Völkern und Kulturen und ein merkantiles, religiöses und politisches Weltzentrum ohne Vergleich. Die Auszeichnung durch die UNESCO, die Istanbul 1985 zum Weltkulturerbe erklärte war damit eine ebenso konsequente und richtige Handlung wie die Wahl der Stadt zur europäischen Kulturhauptstadt 2010.

Print Friendly, PDF & Email