Japanisches Palais zu Dresden – Die königliche Porzellansammlung August des Starken

Autor/en: Ulrich Pietsch, Cordula Bischoff (Hrsg.)
Verlag: Staatliche Kunstsammlungen Dresden und Hirmer Verlag
Erschienen: Dresden und München 2014
Seiten: 340
Ausgabe: Hardcover
Preis: € 49,90
ISBN: 978-3-7774-2112-4
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2015

Besprechung:
Das Japanische Palais in Dresden, ein spätbarocker, monumentaler Prachtbau in der Dresdner Neustadt, durch die Elbe vom dem aus Zwinger, Schloss, Grünem Gewölbe, Frauenkirche, Türkischer Kammer, Gemäldegalerie und Porzellansammlung gebildeten touristischen Schwerpunkt der Stadt getrennt, teilt sein Schicksal mit manch anderem Museum in europäischen Kulturzentren. Der Louvre in Paris, die Pinakotheken in München oder die Museumsinsel in Berlin sind Kulturmagneten, die außerhalb ihres Dunstkreises gelegenen Institutionen nur wenig Chancen auf nennenswerte Besucherzahlen lassen. So ist denn das Japanische Palais in seiner öffentlichen Wahrnehmung ein eher zweitrangiges Museum, dessen über die Zeitläufe häufig wechselnde Nutzung als Bibliothek, als Skulpturen- und Antikenmuseum und schließlich als Museum sowohl für Völkerkunde als auch für die mineralischen und geologischen Sammlungen des Naturhistorischen Museums Dresden niemals große Aufmerksamkeit weckte. Schwere Kriegsschäden, eine, auch wegen der vermeintlichen Randlage zögerliche und bis heute nicht abgeschlossene Wiederherstellung und eine oft unverständliche sächsische Museumspolitik tun ein Übriges, das Japanische Palais zu Dresden und seine Geschichte aus dem öffentlichen Bewusstsein zu tilgen. Das geht so weit, dass der ostasiatische Name des Palais einem digitalem Nachschlagewerk zufolge, allein der ungewöhnlichen Dachform geschuldet ist. So war es in der Tat allerhöchste Zeit, die Geschichte und die eigentliche Bestimmung und Bedeutung dieses barocken Palastes zu erforschen und zu publizieren. Zu danken haben wir den nun vorliegenden stattlichen Band Ulrich Pietsch, dem Direktor der Porzellansammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, und Cordula Bischoff, die über fürstliche Damenappartements und ihre Ausstattung – vornehmlich mit Porzellan – um 1700 habilitiert hat. Damit ist die Katze aus dem Sack, denn das Japanische Palais ist untrennbar mit der Bedeutung von Porzellan am sächsischen Hof unter August dem Starken, Kurfürst von Sachsen und König von Polen (1670-1733) verbunden. Im frühen 18. Jahrhundert war, ausgehend von den Niederlanden, dem Handelsmonopol der Ostindischen Kompanie und dem in Europa weitverzweigten Haus Oranien, die Chinamode auf ihrem Höhepunkt angelangt. Die märchenhaften Schätze orientalischer Potentaten und die Berichte über den Kaiser von China und den indischen Großmogul entsprachen der absolutistischen Idealvorstellung vom allmächtigen Herrscher und so war die Zurschaustellung des kostbaren, exotischen Luxusprodukts Porzellan europaweit zu einem Symbol absolutistischer Herrschaft geworden. Auch August der Starke erkannte die Zeichen der Zeit und wie kein anderer verfiel er dem Zauber des weißen Goldes. Seine von seinem Sohn August III fortgeführte Sammlung von mehr als 40.000 Porzellanobjekten sollte die bedeutendste Porzellansammlung ihrer Zeit werden. Die von August dem Starken massiv geförderte und schließlich 1708 tatsächlich gelungene Entdeckung europäischen Porzellans durch Friedrich Böttger (1682-1719) und die Gründung der königlichen Porzellanmanufaktur in Meissen im Jahre 1910 fügten ein Übriges hinzu, die Sammelleidenschaft Augusts, von ihm selbst als „maladie de porcelaine“ bezeichnet, anzufachen. Zu den seit etwas Mitte des 17. Jahrhunderts nachweisbaren Beständen chinesischen Porzellans sind größere Ankäufe, zunächst ostasiatischen Porzellans, die sich dann Jahr für Jahr fortsetzten, ab 1715 dokumentiert. 1717 erwarb August das erst kurz zuvor jenseits der Elbe für den Grafen von Flemming fertig gestellte „Holländische Palais“ in der Absicht, es zu einem für Europa einzigartigem „Porzellanschloss“, zum Hort seiner ständig wachsenden Sammlung und zur Präsentation und Legitimation seiner absolutistischen Macht auszubauen. Schon ein Jahr später war der Name „Japanisches Palais“ geboren, der die Vorliebe August des Starken für das mit bunten Schmelzfarben dekorierte japanische Porzellan im Stil von „Imari“ oder „Kakiemon“ zum Ausdruck bringt. Die gegenüber der blau-weißen Ware aus China technisch weit anspruchsvolleren und damals auch selteneren und kostbareren, vielfarbigen japanischen Porzellane waren als repräsentativer Schwerpunkt und mit ihren farblichen Variationen als bestimmend für die unterschiedliche Gestaltung der vielen Schauräume des Porzellanschlosses gedacht. Parallel zu diesen Plänen entwickelte sich die Meissener Manufaktur ganz im Sinne der merkantilistischen Pläne August des Starken zu einer echten Konkurrenz für die ostasiatische Ware. Mit dem Eintritt des aus Wien stammenden Porzellanmalers Johann Gregor Höroldt (1696-1775) und des genialen sächsischen Modelleurs Johann Joachim Kaendler (1706-1775) in die Meissener Manufaktur fand die Produktion nicht nur den Anschluss an die ostasiatische Ware, sondern übertraf sie rasch sowohl in technischer als auch künstlerischer Hinsicht. Mit den Chinoiserien Höroldts und den monumentalen Tierplastiken von Kaendler, dann aber auch mit dem Beginn der Produktion umfangreicher Speiseservice durch die Meissener Manufaktur, allen voran mit dem berühmten Schwanenservice des Grafen von Brühl, verschob sich die Ankaufspolitik des Dresdner Hofs sehr deutlich vom ostasiatischem Porzellan zu solchem aus Meissen. Und mit diesem Wandel änderte sich auch die Porzellanpräsentation im Japanischen Palais. Aus der barocken Demonstration von Macht und Reichtum durch die Präsentation von exotischem Luxus war ein Propagandainstrument für eine sächsische Luxusware mit Alleinstellungsmerkmal geworden. Das nie ganz fertig gestellte Japanische Palais hatte als Herrschaftssymbol eines absolutistischen Staates seine Bedeutung verloren. 1772 wurde die Idee eines weltweit einzigartigen Porzellanschlosses mit der Überführung der Porzellansammlung in den Zwinger endgültig begraben und die wechselnde Nutzung des japanischen Palais hatte begonnen. Diese interessante und untrennbar sowohl mit der Leidenschaft August des Starken für Porzellan und der Entwicklung der Meissener Manufaktur verbundene Geschichte wird von den Herausgebern und weiteren kompetenten Autoren detailliert, kenntnisreich und eingebettet in das politische und kulturhistorische Umfeld erzählt. Königliche Feste und barocke Prunkküchen als Teil fürstlicher Repräsentation, Tafelsitten und ihr Wandel und der sächsische Weg vom intimen Porzellankabinett zum Porzellanschloß werden ebenso behandelt wie die wechselhafte Baugeschichte des Japanischen Palais. Dank umfänglich erhaltener Inventare und Archive entsteht ein genaues und facettenreiches Bild des sächsischen Hofes zwischen barocker Repräsentation und beginnender Aufklärung.

Print Friendly, PDF & Email