The Art of the Islamic Tile

Autor/en: Gérard Degeorge, Yves Porter
Verlag: Flammarion
Erschienen: Paris 2002
Seiten: 288
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: EURO –.–
ISBN: 2-0801-0876-X
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Über ein Jahrtausend schufen die verschiedensten Völker vom Atlantik im Westen bis zum Indus im Osten eine Architektur, die pauschal als „islamisch“ bezeichnet wird und die doch so viele Gesichter hat. Und dennoch: Trotz aller historischen und regionalen Unterschiede ist eine Einheitlichkeit zu erkennen, die auf denselben Techniken, Themen, künstlerischen Prinzipien und den eng verwandten ästhetischen Vorlieben beruht. Die verbindende Klammer dieser Architektur ist der Islam, hier nicht nur verstanden als Religion, sondern auch als Gesellschaftsordnung, als Denkweise und als ein philosophisches System. Eine der Grundlagen dieses Systems ist seine Bilderfeindlichkeit, das Verbot der Abbildung lebender Wesen, des Menschen vor allem, wobei hier der Theorienstreit dahingestellt bleiben soll, ob dies ein genuiner Aspekt des Islam ist oder ob das Bilderverbot letztlich gar nicht auf den Religionsstifter Mohammed zurückgeht. Es liegt nahe, in diesem Bilderverbot den Ursprung eines der spezifischen Elemente in der Baukunst des Islam zu sehen, den Ursprung des Ornaments. Der ornamentale Dekor als ein zentrales Stilelement islamischer Baukunst ist ein wichtiges und immer wieder behandeltes Thema. Die einzelnen Mittel aber, mit denen das Ornament in der Architektur zum Ausdruck gebracht wird, sind bisher kaum monographisch untersucht. Mittel des Dekors können die Art und Weise sein, mit der Ziegel gesetzt, geschichtet und vermauert werden, häufig ist es Stuck in zahlreichen Verarbeitungsvarianten und es sind vor allem immer wieder keramische Fliesen, die außen und innen die Erscheinung islamischer Bauten prägen. Diesem kleinsten Nenner islamischer Architektur ist nun ein Buch gewidmet, das eine Lücke schließt. Daß dieses Thema bisher kaum behandelt wurde mag seinen Grund in der Zeitspanne von mehr als 1000 Jahren haben, die hier abzudecken sind und dem weiten Raum von Spanien bis nach Indien. Und es ist auch keineswegs so, daß der keramische Dekor in der islamischen Welt gleichmäßig verwendet wird oder wurde. Keramischer Dekor und sein Stellenwert variieren vielmehr von Region zu Region, wandelten sich im Laufe der Jahrhunderte, erreichten Höhepunkte, stagnierten, wurden überlagert oder verdrängt von anderen Dekortechniken, abhängig von lokalen Entwicklungen der Baukunst, Materialgegebenheiten oder von konstruktiven Prinzipien. Die Schwierigkeiten einer Monographie über islamischen Fliesendekor sind damit aufgezeigt. Die Autoren lösen dieses Problem, indem sie gar nicht erst den wohl untauglichen Versuch unternehmen, das Thema vollständig und abschließend zu behandeln. Es werden vielmehr fünf geographisch und historisch definierte Regionen gebildet und aus diesen Regionen die wichtigsten oder markantesten Gebäude und ihr Fliesendekor, dies dann aber sehr detailliert und sorgfältig beschrieben und im Bild gezeigt. Diese Reise durch Raum und Zeit beginnt mit der Epoche vor der Eroberung weiter Bereiche der islamischen Welt durch die Mongolen, ein frühes und daher zwangsläufig knappes Kapitel mit Beispielen aus Buchara und Isfahan. Das zweite Kapitel über Spanien und den Maghreb bringt dann schon mit der in Nordafrika zur Perfektion entwickelten zellij- oder Mosaiktechnik einen Höhepunkt islamischen Fliesendekors. Die vielstrahligen Sterne und ihre Auflösung in Fläche und Farbe sind hohe Geometrie und ästhetisches Erlebnis in einem. Das dritte Kapitel behandelt den Iran und Zentralasien vom 14. bis zum 19. Jahrhundert und hier sind es die Safawiden mit dem flächenfüllenden Kachelschmuck ihrer Moscheen in Isfahan, die in ihrer Zeit Maßstäbe gesetzt haben. Einen ganz anderen, aber ästhetisch gewiß gleichwertigen Stil für den Dekor ihrer Moscheen und Paläste haben die Osmanen geschaffen. Iznik und seine fast als ein Wunder empfundene Keramik stehen für diese Epoche und dieses Kapitel. Den Reigen beschließt Indien, dessen Sandsteinarchitektur den Fliesendekor nur sparsam, aber dann mit der Liebe der Mogulzeit zu naturalistischem Blumenmustern einsetzt. Gerade diese Beschränkung und Konzentration auf die Höhe- oder Schwerpunkte islamischer Fliesenkunst vermitteln auf ideale Weise, daß dieses Handwerk die schönsten Beispiele der dekorativen Kunst dieser Welt geschaffen hat. Der fundierte Text und hervorragende Aufnahmen, darunter viele Detailwiedergaben in originaler Größe, sowie ein vollständiger Anhang mit Karte, Zeittafel, Glossar, Bibliographie und Index machen das Buch zu einem empfehlenswerten Standardwerk zur Kunst islamischer Fliesen. (- mb -)

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