Golden Pages – Qur’ans and other Manuscripts from the Collection of Ghassan I. Shaker

Autor/en: Nabil F. Safwat
Verlag: Oxford University Press
Erschienen: Oxford 2000
Seiten: 304
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 75.– engl.Pfund
ISBN: 0-19-920193-5
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Der Koran ist das einzige Zeugnis göttlicher Offenbarung, das mündlich an Mohammed übermittelt, dann aber von seinen Gefährten schriftlich festgehalten und schriftlich weiter verbreitet wurde. Der Koran hat als das Wort Gottes eine zentrale Stellung im islamischen Glauben und er bezieht seine Wirkung aus seiner Rezitation und seiner schriftlichen Überlieferung. Die Konzentration auf das Wort, die verbale Form der Verehrung und die enge Verbindung von Sprache und menschlichem Gefühl hat tief wurzelnde kulturelle und religiöse Werte geschaffen, von denen die Kalligraphie zu den wichtigsten und den schönsten zählt. Schönschreiben wird im Islam als der angemessene Ausdruck von Respekt und Verehrung für das Wort Gottes angesehen, und das Abschreiben, das Kopieren des Koran ist die Wurzel der Kalligraphie, Ursprung einer ureigenen islamischen Kunst. In der westlichen Rezeption islamischer Kunst spielte die Kalligraphie lange Zeit neben der Architektur, neben Metallarbeiten, Textilien und Keramik nur eine untergeordnete Rolle. Das änderte sich vor einen Vierteljahrhundert als im British Museum eine große Ausstellung islamischer Kunst sich erstmals auf Bedeutung und Schönheit der Kalligraphie konzentrierte und diese weit vor den anderen islamischen Dekorationsstilen, der Geometrie und der Arabeske, ansiedelte. Gleichwohl ist der Zugang zur Kalligraphie nicht einfach. Ohne Berücksichtigung der religiösen und moralischen Inhalte, ohne das ständige Lesen und Studieren des Koran, ohne das Erfassen und Durchdringen seiner Botschaft, all dies eine selbstverständliche Voraussetzung der Arbeit des Kalligraphen, bleibt auch die ästhetische Aussage der Kalligraphie unvollkommen. Auch wenn die Publikation der Koran-Handschriften aus der Sammlung von Scheich Ghassan Ibrahim Shaker diesem Manko letztlich nicht abhelfen kann, ist sie ein Einstieg in die ästhetische Welt islamischer Kalligraphie und Buchkunst, wie er besser kaum denkbar ist. 75 Handschriften, weit überwiegend Korane vom 12. bis zum 19. Jahrhundert und einige Gebetbücher, formen eine einzigartige Sammlung, herausragend in der Qualität ihrer Kalligraphie, der Pracht ihrer Einbände und der Kunst der Illumination und Illustration. Neben extrem seltenen Exemplaren, etwa aus dem mamlukischen Kairo des 14. Jahrhunderts oder einer mit 1294 datierten Koran-Handschrift aus der Feder des in Bagdad tätigen Künstlers Rabi’al-Akhir, des vielleicht berühmtesten arabischen Kalligraphen des Mittelalters, liegt der Schwerpunkt der Sammlung auf Handschriften aus dem safawidischen und quadscharischen Persien sowie auf Schriften aus dem osmanischen Reich. Zwei königliche Korane von berühmten Schriftkünstlern aus dem Isphahan des frühen 19. Jahrhunderts mit prachtvollen Lackeinbänden oder die osmanischen Abschriften des berühmten Gebetbuches Dala’il al-Khayrat aus derselben Zeit, Gesamtkunstwerke aus kostbarstem Papier und Leder, aus Gold und Lapislazuli, Höhepunkte islamischer Kalligraphie, seien besonders hervorgehoben. Daneben finden sich aber auch Koran-Handschriften aus den Randgebieten der muslimischen Welt, aus Nordafrika und Marokko, aus dem Sudan und Nigeria, aus China, Indonesien und Turkestan, aus Bulgarien und natürlich aus dem Indien der Moghulzeit. Nicht nur der Vergleich der Dekorationsstile – bemerkenswert sind hier etwa der datierte (1796) Koran aus Turkestan, der offensichtliche europäische Einfluß auf die türkische Buchkunst des späten 19. Jahrhunderts oder der vergleichsweise primitive Dekor einer Handschrift aus dem Sudan -, sondern auch die Verwendung unterschiedlicher arabischer Schriften, Riqa, Naskhi, Nastaliq, Thuluth und Muhaqqaq, verführen zu intensivem Studium und führen tief hinein in eine fremde und faszinierende Ästhetik. Jede einzelne Handschrift, vom Miniatur- bis zum Folioformat, ist mit zahlreichen Abbildungen der Zierseiten, Illustrationen und Einbände, mit Detailaufnahmen bemerkenswerter Besonderheiten und Signaturen und mit einer ausführlichen wissenschaftlichen/ Beschreibung vorgestellt. Ein einführender Essay befaßt sich mit einzelnen Aspekten islamischen Buchschaffens, die das Verständnis vertiefen. Die verwendeten Werkzeuge und Materialien, das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler, die Rolle der Frau in der islamischen Buchkunst – immerhin haben es einige Kalligraphinnen zu großem Ruhm gebracht -, Schriften und durch Rhytmus, Pausen und Spontaneität geprägte individuelle Schreibstile, öffnen den Blick für die Vielfalt dieser Kunstform. Die wertvolle und gediegene Aufmachung des prachtvollen Bandes, die hohe Qualität der Abbildungen und der wissenschaftliche Anhang mit Bibliographie und Index entsprechen dem anspruchsvollen Thema. Bibliophiler Inhalt in bibliophiler Verpackung. (- mb -)

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