Die Lackkunst Koreas – Ästhetik in Vollendung

Autor/en: Patricia Frick, Soon-Chim Jung (Hrsg)
Verlag: Museum für Lackkunst, Hirmer Verlag
Erschienen: Münster und München 2012
Seiten: 208
Ausgabe: Halbleinen
Preis: € 39,90
ISBN: 978-3-7774-5621-8
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2012

Besprechung:
Wenngleich die Wissenschaft hier kein exaktes Datum nennen kann, zu komplex und auch lokal unterschiedlich war die Entwicklung der Keramikmasse von grob zu immer feiner und von tonfarbenen zu immer helleren und schließlich weißen Scherben, so gibt es doch keinen Zweifel, dass das Porzellan in China erfunden wurde. Es vergingen viele Jahrhunderte, vielleicht sogar mehr als ein Jahrtausend, bis Johann Friedrich Böttger 1708 in Meißen das erste Stück europäischen Porzellans aus seinem Brennofen holen konnte. Auch in der Dekortechnik, insbesondere in der Entwicklung und Anwendung von Farben und Glasuren hatte China stets die Nase vorn. Manch wichtigen Beitrag, vor allem bei den polychromen Dekoren, hat auch Japan geleistet. Doch von Korea ist im Zusammenhang mit keramischen Innovationen fast nie die Rede. Zu Unrecht, denn koreanischen Töpfern gelang es bereits im 12. Jahrhundert zum ersten Mal in der Geschichte und damit weit früher als in China, Keramik mit kupferroter Bemalung unter der Glasur herzustellen. Vor allem aber entwickelten Koreas Töpfer schon im frühen 12. Jahrhundert eine sanggam genannte Einlegetechnik, die der koreanischen Seladon-Ware ihren typischen Stil und ihre feine Eleganz verleiht. Hier haben China und Japan nichts Vergleichbares zu bieten. Der Dekor wird bei dieser sanggam-Technik in den trockenen Scherben geschnitten und dann mit weißem oder rotbraunem, im Brand sich schwarz verfärbenden Schlicker eingelegt. Unnachahmlich sind die Flaschen und Schalen, auf denen Phönix, Drache und Kranich zwischen sanften Wolken in einem seladon-farbenen Himmel schweben. Auf einem ganz anderen Gebiet angewandter Kunst haben Koreas Kunsthanderker ebenfalls einzigartige Meisterwerke geschaffen und wieder ist es eine Einlegetechnik, die hier wie sonst nirgendwo zur Perfektion entwickelt wurde: Mit Perlmutt eingelegte Lackarbeiten sind eine bis heute ausgeübte Spezialität, die Korea in der ganzen Welt berühmt gemacht hat. Das Museum für Lackkunst in Münster zeigt in einer Ausstellung (bis zum 27. Januar 2013) 45 kostbare Exemplare dieser koreanischen Lackarbeiten aus 8 Jahrhunderten, von der frühen Korya- bis zur späten Choson-Dynastie. In dem dazu bei Hirmer erschienenen Katalog sind, unter anderem mit vielen Detailaufnahmen, nicht nur die Exponate aus koreanischen, japanischen, amerikanischen und britischen Sammlungen und Museen beschrieben und abgebildet, sondern er ist mit seinen Essays zugleich ein umfassendes Handbuch über die koreanische Lackkunst. Aus archäologischen Funden, insbesondere aus reich ausgestatteten Königsgräbern aus vorchristlicher und aus der Zeit der Silla-Reiche weiß man inzwischen, dass sich in Korea bereits sehr früh eine eigenständige und von den mächtigen Nachbarstaaten China und Japan weitgehend unabhängige, technisch und ästhetisch hoch stehende Lackkunst entwickelt hat. Spätestens in der Zeit der Vereinigten Silla-Reiche (668-935) wurden in königlichen Werkstätten exquisite Lackwaren vor allem für den höfischen Gebrauch hergestellt. Lackobjekte des 8. bis 9. Jahrhunderts aus den Ausgrabungen der historischen Palast- und Gartenanlage „Teich der Wildgänse und Enten“ im Südosten Koreas zeigen Beispiele einer Einlegetechnik mit Gold und Silber, die als Vorläufer einer Kunstform gelten können, die Handwerker in der Koryo-Dynastie (918-1392) zu einer frühen Blüte verfeinerten. Diese Lackarbeiten aus der Koryo-Zeit sind ebenso schön und kostbar wie selten. Nur 20 Beispiele sind bis heute weltweit bekannt und nur eines dieser Objekte ist in Korea geblieben. Neben Dosen und anderem Gerät sind es vor allem Sutrenkästen, die in buddhistischen Klöstern oder Tempeln mit großer Sorgfalt aufbewahrt und erhalten wurden. 8 solcher Kästen für buddhistische Schriften, alle in sehr ähnlicher Form und Größe aus dem 12. und 13. Jahrhundert sind weltweit bekannt, 5 davon in Japan und je einer im British Museum, im Rijksmuseum und im Boston Museum of Fine Arts. Alle acht werden ausführlich kommentiert und beschrieben und zwei von ihnen sind in der Ausstellung im Original zu sehen. Die kleinteilig aus feinen, oftmals sogar gravierten Perlmuttblättchen in einem regelmäßigen Rankenmuster auf schwarzem Lack eingelegten Chrysanthemen- oder Päonienblüten, locker begleitet von feinen Perlstäben, eingelegtem Messingdraht oder Sternenmustern verleihen mit ihrem fortlaufenden und unendlich scheinenden Dekor den Sutrenkästen eine unnachahmliche Leichtigkeit und Eleganz. Diese Einlegetechnik, oft noch ergänzt durch Mosaik aus gefärbtem Schildpatt, findet sich auch noch in der frühen Choson-Dynastie (1392-1910) im 14. und 15. Jahrhundert, um dann einem erweiterten Musterrepertoire und einer nicht mehr ganz so feingliedrigen Verwendung des Perlmutt Platz zu machen. Zu sehen sind Kästen, Dosen und Schatullen für die Aufbewahrung von Schreibutensilien und Dokumenten, von Nähzeug und Kosmetik, von Kämmen und Nadeln für die komplizierten Frisuren japanischer Damen, aber auch Vasen, Spielbretter und Kopfstützen, bis hin zu kleinen Möbeln. Kraniche, Rehe, Drachen und andere Tiere mit fernöstlichem Symbolgehalt oder Pflanzen von großer Schönheit wie Winterpflaume, Orchidee, Chrysantheme und Bambus zieren in irisierendem Perlmutt die Flächen und werden erst in der späten Choson-Zeit häufiger durch geometrische Muster abgelöst. Immer aber beeindruckt die sorgfältige und präzise handwerkliche Ausführung, wenn auch die erlesene Schönheit der frühen Arbeiten nie wieder erreicht wird. Ein überaus umfangreiches Glossar und eine reichhaltige Bibliographie vervollständigen den schönen Katalog zu einem praktischen Handbuch eines bemerkenswerten koreanischen Kunsthandwerks.

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