Cloisonné – Chinese Enemals from the Yuan, Ming, and Qing Dynasties

Autor/en: Béatrice Quette (Hrsg)
Verlag: Bard Graduate Center, Musée des Arts Décoratifs, Yale University Press
Erschienen: New York, Paris, New Haven, London 2011
Seiten: XXXVIII 338
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: USD 80.–
ISBN: 978-0-300-16720-7
Kommentar: Michael Buddeberg, April 2011

Besprechung:
Die Technik, Metall mit einer durch Erhitzung aufgeschmolzenen Substanz aus pulverisiertem, farbigen Glas zu schmücken, hat eine mehr als dreitausend Jahre alte Tradition. Ihre aufwändigste und schönste Spielart, die Zellschmelztechnik, das Cloisonné, findet man erstmals im ägäischen Kulturkreis auf Zypern im 13./12. Jahrhundert v.Chr. und sie erreicht ihren künstlerischen Höhepunkt in Byzanz und in der westeuropäischen Sakralkunst des Früh- und Hochmittelalters. Ganz anders im fernen Osten: Obwohl Email-Techniken in China schon in der Zhou-Dynastie (1046-771 v.Chr.) nachweisbar sind, hat die Technik des Cloisonné nicht vor der Yuan-Dynastie (1279-1368) Eingang in das Reich der Mitte gefunden. So wurde Cloisonné in der chinesischen Literatur erstmals im Jahre 1388 erwähnt. Cao Zhao, Autor eines frühen Handbuchs für Sammler und Antiquitäten, schrieb über diese Objekte damals die abfällige Bemerkung, dass sie sich zwar für die Frauengemächer eigneten, jedoch im Studio eines Gelehrten gänzlich fehl am Platze wären. Das mag seinen Grund darin gehabt haben, dass Cloisonné nicht wie Keramik, Lack oder Porzellan als genuine chinesische Handwerkskunst empfunden wurde, sondern als etwas Fremdes, von den Barbaren Übernommenes. Doch die Entwicklung, die das Cloisonné dann unter den Kaisern der Ming- und Qing-Dynastie genommen hat, straft die Meinung von Cao Zhao Lügen. Die aus dem Westen kommende Cloisonné-Technik passte nämlich ganz ausgezeichnet zur Tradition chinesischer Metall- und Einlegearbeiten. Rasch adaptierten die talentierten und geschickten chinesischen Handwerker diese Technik und schufen Objekte, deren Form und deren leuchtender farbiger Dekor dem Charakter und den Motiven chinesischen Kunsthandwerks wunderbar entsprachen und die fremde Herkunft dieses Emaildekors nicht mehr ahnen ließen. Gleichwohl blieb Cloisonné wegen der technischen Komplexität seiner Herstellung und der hohen Produktionskosten ein Monopol der höchsten Kreise des chinesischen Beamtentums und vor allem natürlich des kaiserlichen Hofes. Cloisonné war purer Luxus und seine Verwendung beschränkte sich auf die Ausstattung kaiserlicher Paläste und Tempel. Das chinesische Volk hatte niemals Zugang zu diesen Waren und war so auch nicht in der Lage, ihre Schönheit, die strahlenden Farben und die perfekte Verarbeitung zu bewundern. So kam es auch, dass chinesisches Cloisonné im 17. und 18. Jahrhundert in Europa so gut wie unbekannt blieb. Die damals europaweite China-Mode wurde fast ausschließlich von speziell gefertigter Export-Ware aus Lack, Elfenbein, Perlmutt, Textilien und natürlich Porzellan bedient. Das änderte sich erst 1860 als im zweiten Opium-Krieg der kaiserliche Sommerpalast bei Peking von britischen und französischen Truppen zerstört und geplündert wurde. Schon im Februar 1861 erreichten 400 Objekte aus diesem Beutezug Paris, darunter nie zuvor in Europa gesehenes kaiserliches Cloisonné, und wurden der französischen Kaiserin Eugenie und einem faszinierten Publikum im Louvre präsentiert. Es war das Startsignal für öffentliche und private Sammlungen von Cloisonné in Europa und Amerika. Eine der prächtigsten, reichhaltigsten und nur wenig bekannten Sammlungen hat der französische Sammler David-Weill 1923 dem Pariser Musée des Arts Décoratifs geschenkt. Die schönsten und wichtigsten Stücke dieser Sammlung, ergänzt durch herausragende Objekte aus amerikanischen Kollektionen und Museen, waren bis zum 17. April im New Yorker Bard Graduate Center (BGC) ausgestellt. Diese Ausstellung und das zu ihr erschienene Begleitbuch waren, entsprechend der Aufgabenstellung des BGC – Forschung auf dem Gebiet der Dekorativen Kunst und der Geschichte des Design in Verbindung mit namhaften Museen – nur der Schlusspunkt eines mehrjährigen Forschungsprojektes. So wurde das Buch, zu dem Experten aus Frankreich, Großbritannien, den USA und China Beiträge geliefert haben zum nun gewiss für viele Jahre maßgebenden Handbuch über Cloisonné. Es löst damit das bisherige Standardwerk, den 1985 erschienenen Band von Helmut Brinker und Albert Lutz über Chinesisches Cloisonné der Sammlung Pierre Uldry ab. In den ersten drei Kapiteln von insgesamt zehn untersucht Béatrice Quette, die Kuratorin des Projekts, die Anfänge der Cloisonné-Technik in China, berichtet über neue Erkenntnisse zur Datierung von Cloisonné-Objekten und zur Bewertung von Marken und beschreibt die technische und stilistische Entwicklung von Form und Technik von den Anfängen bis zur Qing-Dynastie. Neu ist hier, dass einige Objekte fast zweifelsfrei der Yuan-Dynastie zugeschrieben werden können. Da frühere archäologische Nachweise vollkommen fehlen, wird man hier die Anfänge dieser Technik in China sehen können. Penglian Lu erläutert dann die die Beliebtheit, die hohe Wertschätzung und den vielfältigen Gebrauch von Cloisonné am kaiserlichen Hof. Es gibt kaum einen Gebrauchs-, Ritual- oder Dekorationsgegenstand, der nicht auch in dieser Technik gearbeitet wurde. Weitere Essays von Rose Kerr und Terese Tse Bartholomew befassen sich mit der von den Cloisonné-Künstlern häufig praktizierten Übernahme archaischer Formen, etwa von den Ritualbronzen der Shang- oder der Zhou-Dynastie, und mit der Darstellung des vollen Repertoires chinesischer Dekore und ihrer vielfältigen symbolischen Bedeutung, die sich auf den Cloisonnés in gleicher Weise findet wie etwa auf Textilien oder Porzellan. Demgegenüber ist der Einfluss chinesischer Malerei, die sich eher durch zarte Farben oder gar Monochromie auszeichnet, bei der Cloisonné-Technik seltener, aber doch bei manchen Stücken feststellbar (Claudia Brown). In dem hochinteressanten Beitrag von Zhang Rong über das Cloisonné für den kaiserlichen Hof erfahren wir dann unter anderem über den erstaunlichen Umfang und die perfekte Organisation der kaiserlichen Werkstätten, die den enormen Bedarf des Hofes an Gebrauchs- und Repräsentationsware herzustellen hatte. Qualität ebenso wie Quantität der in diesen Werkstätten hergestellten Cloisonné-Arbeiten erreichte unter Kaiser Qianlong (1836-1896) einen Höhepunkt, wie noch heute in der Verbotenen Stadt in Beijing, beispielsweise in Halle der Höchsten Harmonie, festgestellt werden kann. Das Buch klingt aus mit zwei Essays über den Einfluss des ab 1860 in Europa bekannt gewordenen kaiserlichen Cloisonnés auf europäisches Kunsthandwerk beispielsweise aus dem Hause Christofle (Odile Nouvel-Kammerer) und mit einem detaillierten Überblick über die am Ende des 19 und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Europa und in den USA entstandenen Sammlungen. Vielfalt und Tiefe der Beiträge lassen keine Wünsche offen. Dieses großartige Buch rückt das von der Kunstwissenschaft oft etwas übersehene chinesische Cloisonné ins rechte Licht. Dabei bleibt es dem Betrachter und seinem Geschmack überlassen, ob er in den formal schlichten aber in ihrem farbigen Dekor ungemein kräftigen Arbeiten des 14. und frühen 15. Jahrhunderts oder in den handwerklich perfekten Cloisonnés des 18. Jahrhunderts den Höhepunkt dieser Handwerkskunst sieht. Schön sind sie alle.

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