Gold der Steppe – Sensationelle Funde aus Fürstengräbern der Skythen und Sarmaten

Autor/en: Wilfried Seipel (Hrsg)
Verlag: Stadtgemeinde und Kunsthalle Leoben mit Kunsthistorischem Museum Wien
Erschienen: Leoben und Wien 2009
Seiten: 320
Ausgabe: broschiert
Preis: nicht mitgeteilt (ca. € 30.–)
ISBN: 978-3-85479-160-3
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 2009

Besprechung:
Das Gold der Skythen ist ein Publikumsmagnet, der in seiner Attraktivität vielleicht nur noch von den Schätzen aus altägyptischen Grabkammern übertroffen wird. Begünstigt durch das Interesse, das eine breite Öffentlichkeit archäologischen Ausstellungen entgegenbringt ist es vor allem das blinkende und glänzende und in opulenter Fülle präsentierte Gold, von dem eine unwiderstehliche Faszination ausgeht, und es ist die wirklich unvergleichliche handwerkliche Qualität, mit der anonyme Goldschmiede vor mehr als zweitausend Jahren zauberhaften Schmuck herstellten und goldene Trinkbecher, Waffen, Helme und andere Rüstungsteile mit narrativen Szenen aus Krieg und Frieden versahen. Hinzu kommt gewiss das große Geheimnis, das diese zentralasiatischen Reitervölker bis heute umgibt und die im kulturellen Bewusstsein des Westens verwurzelte Gefahr, die immer wieder von den aus der Tiefe des asiatischen Raumes hervorbrechenden Barbaren ausging. Wer waren diese fremdartigen und schriftlosen Nomaden, deren auf Schnelligkeit und Überraschung gegründeten taktischen und kriegerischen Fähigkeiten sesshafte Völker nichts entgegenzusetzen hatten? Und wie ist es zu erklären, dass die Könige und Fürsten dieser Steppenvölker unendliche Macht und sagenhaften Reichtum besaßen, wie er sich in den Kurganen, den riesigen Grabanlagen dokumentiert? All dies und die Schönheit der Steppenkunst, der Tierstil, die Darstellung realer und mythischer Tiere auf Gefäßen, Gürtelplatten, Armreifen und Gewandnadeln wird der Ausstellung skythischer und sarmatischer Goldschätze in Leoben trotz der erst vor zwei Jahren in Berlin, München und Hamburg gezeigten Ausstellung von Gold aus skythischen Königsgräbern (im Archiv zu finden unter: „Im Zeichen des Goldenen Greifen“) den verdienten Erfolg bescheren. Ausstellung und Katalog sind darüber hinaus deshalb von besonderer Bedeutung als hier erstmals außerhalb Russlands die phantastischen sarmatischen Goldfunde aus dem Museum von Asow zu sehen ist. Die zufällige Entdeckung von übersehenen Geheimverstecken der schon im Altertum geplünderten Kurgane von Chochlatsch und Datschi, beide nahe der Mündung des Don in das Asowsche Meer, ein nordöstliches Nebenmeer des Schwarzen Meeres, war in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts und ist noch heute eine archäologische Sensation. Dieser Goldschatz aus der Sarmatenzeit, Schmuck, Gefäße und kostbares Pferdegeschirr zeichnet sich durch eine besonders harmonische Verbindung von Gold mit Edelsteinen wie Türkis, Karneol, Koralle und Achat aus. Herausragendes Beispiel für die Eleganz und Kostbarkeit sarmatischen Goldes ist der Dolch von Datschi, dessen Heft und Scheide mit dekorativen, reich mit Türkisen und Karneolen verzierten Goldplatten versehen ist. Sie zeigen den Kampf eines Greifen mit einem Kamel. Ein Essay untersucht die Herkunft dieses wohl aus dem letzten Viertel des 1. Jahrhundert n.Chr. stammenden Kunstwerkes und gelangt zu dem Ergebnis, dass es wohl nur aus einem Zentrum der alten Kulturen des Orients stammen kann, aus dem Iran vielleicht oder aus Baktrien. Die unverkennbaren Elemente des Tierstils machen den Dolch von Datschi dennoch zu einem Objekt der Nomadenkultur. Der Schatz von Asow belegt damit einmal mehr Bedeutung, Macht und Reichtum der skythischen und sarmatischen Steppenfürsten, die nicht nur lokale Kunsthandwerker beschäftigten, sondern Aufträge auch an griechische und orientalische Werkstätten vergaben. Damit aber rücken diese, in der Kultur- und Kunstgeschichte bisher mehr am „Rande der Welt“ angesiedelten Völker immer mehr in eine historische Wirklichkeit, in ein nicht nur durch Krieg und Beutezüge, sondern auch durch Handel und Austausch geprägtes Weltbild. Gleiches gilt für ihren Tierstil, in Ausstellung und Katalog auch durch zahlreiche Beispiele aus der berühmten Sibirischen Sammlung Peters des Großen vertreten. Die in den Grabstätten antiker eurasischer Nomaden gefundenen Goldschmiedearbeiten im Tierstil begeistern durch ihre künstlerische Eigenwilligkeit, ihre erstaunliche Ausdruckskraft, ihre meisterliche Ausführung ebenso wie durch ihren barbarischen Prunk. Sie sind aber kein Phänomen aus einem Randgebiet der Kunst, sondern sie sind durch ihre über ein Jahrtausend währende Entwicklung und Präsenz, vom siebten vorchristlichen Jahrhundert bis in die ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechung, durch ihren Einfluss etwa auf die Kunst der Achämeniden und indem sie selbst formale Einflüsse aus anderen Kulturen, etwa der griechischen und römischen, verarbeiteten, ein wichtiger Bestandteil der Weltkunst. Beispiele dafür sind die beiden Spitzenstücke der Ausstellung, der berühmte Brustschmuck aus dem Museum für Historische Kostbarkeiten der Ukraine in Kiew und das Diadem aus dem Kurgan von Chochlatsch, heute in der Galerie der Kostbarkeiten der Eremitage. Obwohl in beiden Fällen nur Kopien die Reise nach Leoben antreten durften, können wir hier Beispiele einer Kunst bewundern, in der antike und barbarische Merkmale meisterhaft verknüpft wurden. (Ausstellung bis zum 26.10.2009)

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